Gespräch mit Maxie Haumer, Frauengruppe Courage

08.05.2023
"Was ich als älterer Mensch gelernt habe, ist, dass es wichtig ist, mit allen in Kontakt zu kommen. (...) Ich muss das, wofür ich eintrete, nicht immer auf ein Plakat schreiben, denn dann entstehen Fronten. Und wenn es zur Frontenbildung kommt, muss jeder seine Position verteidigen, und es entsteht kein Dialog."

TT: Wie bist du zur Frauengruppe Courage gekommen?

Maxie: Die Frauengruppe Courage hat sich 1974 gegründet, und ich bin 1975 dazugekommen. Meine erste Begegnung war in der KHG, da hat es so einen Hexentrip gegeben, eine Art Ball. Ich habe nicht gewusst, worum es da geht, und habe mir gedacht, es handelt sich um ein lustiges Faschingsfest. Also bin ich mit einem Pragger dort eingeritten, den haben sie mir dort aber aus der Hand gerissen. Ich war lustig drauf und habe gefragt: Wollt ihr jetzt Teppichklopfen? Die anderen Teilnehmerinnen haben die Sache jedoch viel ernster genommen. Die feministischen Inhalte habe ich erst im Laufe meiner Mitgliedschaft bei der Courage mitbekommen. Wir haben da in der Herrengasse ein Lokal gehabt, da war auch die GRM (Gruppe Revolutionärer Marxisten) drinnen, und einige von denen waren mit Frauen der Frauengruppe Courage verbandelt. Die Treffen waren dort immer am Dienstagabend, und die Gespräche waren immer höchst spannend. Es sind viele Frauen hingekommen, die ich aus der KHG gekannt habe, und von überall her halt. Wir haben uns als autonome Frauengruppe verstanden.

TT: Über welche Themen habt ihr diskutiert und welche Forderungen habt ihr gestellt?

Maxie: Es ging um die Benachteiligung der Frauen in allen Lebensbereichen und was wir dagegen unternehmen können. Wir haben zu den verschiedenen Themen Arbeitskreise gegründet, eine Gruppe hat Publikationen herausgebracht, es gab auch eine Literaturgruppe, es war insgesamt eine sehr fruchtbare Zeit. Eine unserer Forderungen war, dass in den Salzburger Krankenhäusern Abtreibungen durchgeführt werden, und zwar kostenlos auf Krankenschein. Der nächste Wunsch war ein Frauenhaus, denn damals hat es in Salzburg noch keines gegeben. Dafür hat es eine eigene Arbeitsgruppe gegeben, die war unabhängig von Courage und hat unheimlich viel Vorarbeit geleistet. Als es dann tatsächlich zur Gründung eines Frauenhauses gekommen ist, hat die SPÖ ihre eigenen Leute hineingesetzt und die Frauen, die die ganzen Vorbereitungen gemacht haben, einfach ausgebootet. Das hat uns ziemlich entsetzt, obwohl wir gleichzeitig froh waren, dass es nun endlich ein Frauenhaus gegeben hat. Es war damals die Kreisky-Zeit und die SPÖ hatte viel Macht. Im Nachhineingesehen schätze ich mich glücklich, dass ich in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren jung war, weil da wirklich ein Aufschwung von Freiheiten zu spüren war und wir das Gefühl hatten, es lohnt sich, dafür zu kämpfen. Ich finde es eine Ungeheuerlichkeit, dass einige dieser Fortschritte wieder zurückgenommen worden sind.

TT: Welche Aktionen habt ihr organisiert?

Maxie: Wir haben Demos organisiert, bei denen 250 und mehr Frauen dabei waren. Wir haben auch eine eigene Frauenmusikgruppe gehabt, die Frauenlieder eingeprobt und diese bei den Demos gesungen und gespielt hat. Einmal hat die SPÖ im Kongresshaus eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag organisiert. Da sind SPÖ-Mitglieder vom ganzem Land Salzburg angereist. Wir sind auch hingegangen und haben heimlich unter unseren Kleidern Transparente versteckt. Während der Veranstaltung sind wir nach vorne auf die Bühne gestürmt und haben ganz schnell unsere Transparente mit unseren Forderungen ausgewickelt, diese waren, die Einrichtung eines Frauenhauses, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, und das Recht auf kostenlose Abtreibung. Das waren unsere Hauptthemen. Mit den Transparenten haben wir uns auf die Bühne gestellt, und eine von uns hat das Mikrophon an sich gerissen und eineinhalb Minuten über unsere Forderungen gesprochen. Das Beste daran war, dass das Publikum geglaubt hat, das gehört zum Programm dazu. Dann hat uns aber eine SPÖlerin aus dem Saal komplimentiert, begleitet von Schimpftiraden wie, ihr sollt zuerst einmal etwas leisten, weil viele von uns Studentinnen waren. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich habe mich vor sie hingestellt und gesagt: "Ich bin 34 Jahre alt, verheiratet und habe einen Sohn. Ich bin kein Schulmädchen, ich weiß, wovon ich rede." Aber für uns war es trotzdem ein Erfolg, weil wir viele Menschen auf unsere Themen aufmerksam machen konnten, und mehr wollten wir ja nicht.

TT: Haben bei Courage nur Frauen mitgemacht?

Maxie: Bei unseren Treffen waren wir nur Frauen, aber wenn wir Veranstaltungen gemacht haben, waren Männer nicht ausgeschlossen. Die Männer, die unsere Inhalte gut gefunden haben, sind auch bei unseren Demos mitgegangen. Das war nicht überall so. Im Jahr 2000, da hat es die Frauengruppe Courage nicht mehr gegeben, gab es in Wien eine Großkundgebung gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ. Wir sind mit der Gewerkschaft hingefahren und bei der Demo mitmarschiert. Ein paar Wochen danach, am 8. März, hat es auch eine Frauendemo gegeben. Bei der Abschlusskundgebung sollte Johanna Dohnal eine Rede halten, die wir hören wollten. Da sind wir wieder nach Wien gefahren. Mein Mann ist auch mitgekommen. Weil damals schon nicht mehr gut gesehen habe, habe ich seine Unterstützung gebraucht. Am Treffpunkt wurden wir jedoch von den Organisatorinnen der Demo empfangen, die sauer waren, dass wir auch Männer mitgenommen hatten. Sie wollten nicht, dass die bei der Demo auch dabei sind. Eine Freundin von mir, die Schriftstellerin Eva Geber, die bei der Frauenzeitschrift AUF mitgearbeitet hat, hat die Auseinandersetzung mitgekriegt. Weil es stark geregnet hat, hat sie uns auf die Seite genommen und vorgeschlagen, uns in ein Kaffeehaus zu setzten und nachher zur Kundgebung zur Dohnal zu gehen. Das haben wir auch gemacht. Dort haben wir uns aber gewundert, dass niemand aus Salzburg und Oberösterreich dabei war. Im Zug haben wir die Leute von der Gewerkschaft wieder getroffen. Die haben uns erzählt, dass sie fehlgeleitet worden sind. Da sie sich in Wien nicht so gut ausgekannt haben, sind sie nie bei der Kundgebung angekommen.

Das habe ich nie verstanden. So etwas haben wir in Salzburg nicht gehabt. Unsere Veranstaltungen waren immer offen für Männer, die sich dafür interessiert haben. Was ich an der Courage gut gefunden habe, war die Toleranz. Man hat unterschiedliche Ansichten und Lebensweisen toleriert. Es ging immer um unsere gemeinsamen Forderungen wie das Recht auf gleichen Lohn und das Recht auf Abtreibung, die leider bis heute nicht erreicht worden sind.

Gemeinsam ist uns:
- Die Erfahrung und das Spüren unserer Benachteiligung und Beschränkung in allen gesellschaftlichen Bereichen;
- Aber auch das Wissen um die historische Bedingtheit der Unterdrückung der Frau – und damit das Wissen um die Veränderbarkeit der scheinbar natürlichen Rollen- und Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau;
- Das Bedürfnis, gemeinsam gegen unsere Diskriminierung aufzutreten, uns mit anderen Frauen mit unserer Situation auseinanderzusetzen, sie nicht mehr länger widerspruchslos hinzunehmen, eigene Bedürfnisse und Ansprüche zu entdecken und durchzusetzen, Beziehungen zu Frauen zu entwickeln.
- Wir betrachten uns als Teil der Neuen Frauenbewegung, die in den 1970er Jahren überall in Europa und in den USA initiiert wurde. Unsere autonome Organisierung ist für uns der Versuch, die Vertretung unserer Rechte und Interessen selbst in die Hand zu nehmen; sie ist auch als Antwort auf die Unfähigkeit der traditionellen Parteien und Verbände zu verstehen, den Kampf gegen die Unterdrückung der Frau konkret in Angriff zu nehmen; Autonomie heißt also Unabhängigkeit von anderen Organisationen – aber nicht: Unparteilichkeit, Ghetto, Isolierung.
Flugblatt der Frauengruppe Courage 1981. Quelle: Sandra Wernegger, 2009: Die neue Frauenbewegung in Salzburg – von ihrer Entstehung bis zu ihrer Institutionalisierung.

TT: Was hat die Courage rückblickend erreicht?

Maxie: Die Courage hat sich zwar Anfang der 1980er Jahre aufgelöst, aber daraus haben sich viele Sachen entwickelt. Es hat das Frauencafé in der Haydnstraße gegeben, der Frauennotruf und andere Einrichtungen, die es heute noch gibt, wurden gegründet. Sie wurden von Frauen initiiert, die entweder selbst in der Courage aktiv waren oder mit der Gruppe sympathisiert haben.

TT: Hast du heute noch politisch aktiv?

Maxie: Ich bin in der Nachkriegszeit in einem vom Nationalsozialismus geprägten Umfeld aufgewachsen. Die 1968er Bewegung, die Proteste gegen den Vietnamkrieg, Joan Baez, Martin Luther King – diese Ereignisse haben mir die Augen geöffnet. Seitdem habe ich nie aufgehört, gegen Ungerechtigkeit aufzutreten. Nach der Auflösung von Courage war ich zwar nicht mehr so aktiv, habe aber bis heute noch mit einigen Frauen von damals Kontakt, vor allem mit Eva Geber in Wien, die viele höchst interessante Bücher herausgegeben hat.

Ich gehe nach wie vor auf Demos, bin bei den "Omas gegen Rechts" und zusammen mit meinem mittlerweile 50-jährigen Sohn bei "Fridays for Future". Bei den Omas engagieren sich auch Frauen, die damals bei der Courage waren, es sind aber nicht nur linke, sondern ganz unterschiedliche Frauen dabei. Der Internationale Frauentag hat für mich nach wie vor eine große Bedeutung, genauso wie die Internationale, die meine Hymne bleiben wird, bis ihre Ziele umgesetzt worden sind.

TT: Was sind deine sonstigen Aktivitäten?

Maxie: Das Ausdrucksmalen ist meine große Leidenschaft, die ich ausüben werde, solange ich kann. Außerdem bin ich in einer Orff-Musik- und Tanzgruppe für Erwachsene und war zehn Jahre lang in der Sambagruppe von Ari Glage. In meiner Malgruppe habe ich eine Psychologin kennengelernt, die bei der Telefonseelsorge gearbeitet hat. Von ihr habe ich erfahren, dass dort nicht nur kirchliche Personen, sondern Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft vertreten sind. Weil ich selbst oft Unterstützung bekommen habe, wollte auch ich einmal jemandem helfen und meine Erfahrungen weitergeben. Deshalb habe ich mich beworben, und sie haben mich genommen. Nun bin ich seit 37 Jahren dabei und immer noch aktiv. Hier weiß niemand, dass ich schlecht sehe. Durch meine Sehbehinderung ist es für mich ja immer schwierig gewesen, Arbeit zu finden. Durch diese Tätigkeit habe ich für mich viel Bestätigung bekommen. Derzeit mache ich drei Dienste im Monat, und die mache ich gern. Mir stehen die Leute nahe, entweder sie haben psychische Probleme oder sind einsam und haben niemanden, der ihnen zuhört. Wichtig bei dieser Arbeit ist, dass ich nicht den Anspruch habe, die Menschen zu verändern, es geht einfach darum, dass die Leute reden und sich ausweinen können und ich einfach zuhöre. Und da ich ein lustiger Mensch bin, gelingt es mir oft, die Leute zum Lachen zu bringen, auch wenn ihnen gar nicht zum Lachen zumute ist, und zum Schluss lachen wir dann beide.

TT: Was ist dein Lebensmotto heute?

Maxie: Was ich als älterer Mensch gelernt habe, ist, dass es wichtig ist, mit allen in Kontakt zu kommen. Ich treffe Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und Altersgruppen, komme mit ihnen ins Gespräch, diskutiere mit ihnen, und sie hören sich meine Argumente an. Viele Leute haben das Gefühl, dass sie mit mir über Dinge reden können, über die sie in ihrem eigenen Umfeld nicht reden können, und das gefällt mir. Ich denke, man erfährt mehr und kann mehr bewirken, wenn man etwas im Alltag tut. Ich muss das, wofür ich eintrete, nicht immer auf ein Plakat schreiben, denn dann entstehen Fronten. Und wenn es zur Frontenbildung kommt, muss jeder seine Position verteidigen, und es entsteht kein Dialog. Mir ist es wichtig, nicht nur in der eigenen Gruppe zu bleiben, sondern auch mit Menschen zu reden, die eine andere Meinung haben, außer mit eingefleischten Nazis, mit denen kann und will ich nicht reden.

veröffentlicht in Talktogether Nr. 83/2023