Gespräch mit Gerti Mayer und Gudrun Haslauer, Omas gegen Rechts Salzburg
TT: Seit wann gibt es die Omas in Salzburg?
Gerti: Man kann sagen, seit Jänner 2018, ziemlich exakt. Im Herbst 2017 nach der Bildung der unsäglichen türkis-blauen Regierung war das Entsetzen dermaßen groß. Als daraufhin Monika Salzer in Wien spontan die Facebook-Gruppe "OMAS GEGEN RECHTS" gegründet hat, war der Zulauf innerhalb kürzester Zeit in ganz Österreich sehr groß. Mir ist es damals so gegangen, dass ich am liebsten untertauchen und nie wieder auftauchen wollte, so unerträglich war es. Als ich dann in einer Zeitung gelesen habe, dass die "OMAS GEGEN RECHTS" in Wien bei einer Demo aufgetreten sind, war mir sofort klar, das ist etwas für mich, da möchte ich mich anschließen. Auf der Facebook-Seite haben wir gesehen, dass auch viele aus Salzburg dabei sind, und so haben wir uns zusammengeredet und im Jänner 2018 hier das erste Treffen organisiert. Seither haben wir in Salzburg eine sehr aktive Gruppe, die sich regelmäßig einmal im Monat trifft.
TT: Wie viele Mitglieder haben die Omas?
Gerti: Österreichweit hat unser Verein 800 Mitglieder, dazu kommen viele Sympathisant*innen. Unsere Salzburger Facebook-Gruppe hat 230 Mitglieder, dann haben wir auch noch einen Mailverteiler mit circa 160 Personen. 70 Salzburgerinnen sind Vereinsmitglieder, wenn auch nicht alle von ihnen regelmäßig bei unseren Aktionen mitmachen.
TT: Was sind eure Grundsätze und Ziele?
Gudrun: Die Hauptziele sind, für Demokratie und Menschenrechte einzutreten und ein sichtbares Zeichen gegen das Wiederaufflackern rechten Gedankenguts zu setzen. Die Themen sind aber breit gestreut. Nach der Ermordung von Mahsa Amini im Iran haben wir ziemlich spontan ein Straßentheater aufgeführt.
Gerti: Als letzte Veränderung haben wir die Unterstützung der Klimaaktivist*innen in unsere Statuten aufgenommen. Der Klimaschutz ist unglaublich wichtig, da mit der zunehmenden Klimakatastrophe die Unsicherheit zunimmt und demokratische Kräfte außer Kraft gesetzt werden. Eine lebbare Welt für alle ist ja die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft.
TT: Mit welchen Mitteln versucht ihr, auf eure Anliegen aufmerksam zu machen?
Gerti: Wir sind viel auf der Straße, nehmen an Demos teil…
Gudrun: Wir haben auch tolle Leser*innenbriefschreiberinnen, deren Beiträge regelmäßig veröffentlicht werden. Wir versuchen auch immer wieder, die Medien zu unseren Aktionen einzuladen, was leider nicht immer funktioniert.
Gerti: Vor der Nationalratswahl haben wir viele kleinere Kundgebungen in Gemeinden im Land Salzburg gemacht, um mit den Leuten auf der Straße ins Gespräch zu kommen. Dabei haben wir viel Zuspruch erfahren, aber auch Ablehnung und Angriffe, zum Glück nur verbale. Ein paar von uns sind regelmäßig auf der Schranne unterwegs, um die Leute darauf aufmerksam zu machen, was gerade im Land passiert, nämlich, dass demokratische Institutionen außer Kraft gesetzt werden wie die Landesumweltanwaltschaft, und dass es Kürzungen im sozialen Bereich gibt, wie beim Heizkostenzuschuss. Und das von einer Partei, die von sich behauptet, die Partei der kleinen Leute zu sein!
Gudrun: Wenn Kultureinrichtungen Angst haben, dass ihnen der Geldhahn abgedreht wird, wenn sie zu kritisch sind, geht das für mich in eine Richtung, die sich sehr ungesund anfühlt.
Gerti: Und wenn die FPÖ verkündet, dass die Menschenrechte überarbeitet werden müssen, weil sie nicht mehr aktuell seien, ist das höchst alarmierend.
TT: Ihr habt am 9. November eine Mahnwache am Marko-Feingold-Steg organisiert…
Gudrun: Angesichts des Anstiegs an antisemitischen Vorfällen war es für uns wichtig, ein Zeichen zu setzen, denn schließlich ist am 9. November 1938 hier in Salzburg die Synagoge zerstört und 70 Menschen sind deportiert und später ermordet worden. Diesen Menschen wollen wir ein ehrendes Andenken geben. Einmal sind bei einer Mahnwache zwei Jugendliche auf uns zugekommen und haben gefragt, wer uns bezahlt, damit wir uns herstellen. Wir haben geantwortet, dass wir das freiwillig machen, weil es uns ein Anliegen ist. Daraufhin hat einer sich mit einem Handschlag bei uns bedankt. Das hat mich sehr berührt und persönlich sehr bestärkt. Ich habe mich an meine eigene Schulzeit erinnert, als mir unsere Deutschlehrerin das Buch "Die weiße Rose" in die Hand gedrückt hat, wo es um die Geschwister Scholl geht, die ihren Widerstand gegen das Nazi-Regime mit dem Leben bezahlen mussten. Das hat mich sehr geprägt.
Gerti: Es ist interessant, wie unterschiedlich die Zugänge sind. Ich kann mich nicht erinnern, in der Schule viel über diese Zeit gehört zu haben, auch daheim wurde darüber nicht viel geredet. Ich weiß nur, dass eine Nachbarin meiner Großmutter gedroht hat, sie anzuzeigen, weil sie das Hitlerbild nicht aufgehängt hatte. Meine Großmutter hat auch immer meinen behinderten Onkel beschützt. Ich habe ihren Mut sehr bewundert. In einem Punkt war ich mir immer sicher, dass ich gegen Faschismus und Nazis bin. Später habe ich dann sehr viel über diese Zeit gelesen.
TT: Was kann man dem Rechtsruck entgegenhalten?
Gerti: Es ist manchmal schon sehr frustrierend, dass der Trend zum Rechtsextremismus scheinbar nicht aufzuhalten ist, es ist ein richtiger Sog. Manchmal fragen wir uns: Was nützen all die Anstrengungen? Was haben wir erreicht? Können wir überhaupt etwas erreichen? Da bin ich immer froh, die Gruppe zu haben, weil wir uns da gegenseitig stützen und aufrichten können. Als ich dann gehört habe, dass Martin Sellner bei einer Tagung von Rechtsextremisten gesagt hat, dass er die antifaschistischen Proteste als störend empfindet, habe ich mir gedacht: Das ist gut. Es ist gut, dass wir stören. Das hat mich bestärkt.
Gudrun: Hier in Österreich geht es den meisten Menschen doch wirklich gut. Trotzdem funktioniert es leider immer wieder: das Aufhetzen, das Madigmachen, der Brotneid, das Schüren von Angst und der starke Mann, der herumbrüllt und behauptet, alles besser zu machen. Dass diese Methode immer wieder aufgeht und zum Erfolg führt, macht mich sehr betrübt.
Gerti: Es heißt: "Die Ausländer nehmen euch etwas weg" oder "die Arbeitslosen nehmen euch etwas weg", man findet immer eine Gruppe, auf die man hinzeigt, während man sich im Hintergrund an die Töpfe macht. Wir wissen ja, wie viele sich an den öffentlichen Geldern bedienen, und dass die Reichen, die im Grunde einen viel zu kleinen Beitrag für die Gesellschaft leisten, immer noch reicher werden, so dass die Schere immer weiter auseinandergeht. Aber davon wird ständig abgelenkt, indem man auf diejenigen zeigt, die schwächer sind.
Gudrun: Die Leute sind unzufrieden mit der Politik und wählen die Hetzer und Aufrührer. Dann sagen sie: Lassen wir sie einfach einmal probieren, es ist ja nicht so tragisch.
Gerti: Einen großen Einfluss haben auch die Medien. Medien, die kritische Berichte schreiben, denen werden die Mittel gekürzt. Gefüttert werden dagegen diejenigen, die das berichten, was man unter die Leute bringen will. Für sehr gefährlich halte ich auch die sogenannten Sozialen Medien, weil sich die Leute dort in Blasen bewegen, wo sie keine anderen Meinungen mehr hören und sich gegenseitig immer mehr aufhetzen.
Gudrun: Die Meldungen, die dort kursieren, werden einfach ungeprüft übernommen. Die Leute werden immer einseitiger, weil sie sich nur mehr in einem Tunnel bewegen.
Gerti: Die Rechten haben sehr früh erkannt, was für eine wichtige Rolle die Sozialen Medien spielen.
Gudrun: Die FPÖ gibt horrende Summen dafür aus und hat dadurch enormen Einfluss auf junge Wähler und Wählerinnen, die sich fast nur mehr über diese Kanäle informieren.
TT: Welche Gefahren sind aus eurer Sicht für unsere Gesellschaften mit dem Rechtsruck verbunden?
Gerti: Dass es keine Solidarität mehr gibt, dass die Fronten so verhärtet sind, dass man nicht mehr miteinander reden kann. Das ist aktuell am Krieg in Gaza zu beobachten. Entweder man ist auf der einen Seite oder auf der anderen, dabei wird übersehen, dass es auf beiden Seiten viel Leid gibt. Es gibt nur "Entweder-Oder" und nichts dazwischen. In der Corona-Zeit habe ich einmal eine Info über Pharmakonzerne weitergeleitet, die von der Pandemie profitiert haben, daraufhin wurde ich gleich angegriffen und der Gruppe der Corona-Leugner*innen zugeordnet.
Gudrun: Ja, Corona ist ein gutes Beispiel dafür, da hat es sogar Zerwürfnisse innerhalb von Familien gegeben bis zum geht nicht mehr. Die Hauptgefahr ist jedoch, dass wir unsere demokratischen Errungenschaften verlieren. Viele Menschen haben mit so großem Einsatz dafür gekämpft, dass wir heute in Österreich in einer Demokratie leben. Das ist für viele von uns ein Grund zu sagen, mir tut zwar das Kreuz weh, aber trotzdem stelle ich mich hin, auch wenn uns immer wieder von Passanten wüste Beleidigungen entgegengeschleudert werden. Die Demokratie ist es wert, diese Beschimpfungen zu ertragen.
Gerti: Die Leute nehmen unsere hart erkämpften Rechte für so selbstverständlich, dass sie sich gar nicht vorstellen können, dass uns diese auch wieder weggenommen werden können. Genauso wie die Frauenrechte. Heute wird man manchmal belächelt, wenn man sich für Frauenrechte einsetzt.
Gudrun: Und es heißt: Was wollt ihr? Ihr habt doch eh alles!
Gerti: Ja, selbst viele Frauen sind dieser Meinung.
Gudrun: Johanna Dohnal ist damals zu jedem Bauernhof gefahren, um den Frauen zu sagen, dass sie nach einer Geburt nicht sofort wieder in den Stall müssen. Oder die ersten Frauen im Nationalrat, welche Opfer haben die gebracht, damit die Frauen das Stimmrecht bekommen? Und heute hat man sie vergessen und nimmt es für selbstverständlich. Oder wenn wir in den Iran schauen. Dort riskieren junge Frauen ihr Leben, um etwas zu verändern, und hier ist den Leuten alles egal. Dabei sind wir von einer Gleichstellung immer noch weit entfernt. Ich kann es nicht mehr hören, wenn ich am 8. März die Forderung höre: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!" Ja, wann denn endlich?
Gerti: Muss uns erst alles weggenommen werden, damit wir erkennen, wie wertvoll es ist, sagen zu dürfen, was man denkt, sozial abgesichert zu sein, eine Pension zu bekommen und ein kostenloses Gesundheits- und Bildungssystem zu haben? Ich wünsche mir nicht, dass es so weit kommt.
Gudrun: Trotzdem bin ich auch optimistisch, denn wir bekommen auch viele positive Rückmeldungen bei unseren Demos, und es kommen immer wieder neue Omas in unsere Gruppe.
Gerti: Das Gute an unserer Gruppe ist auch, dass wir uns gegenseitig ermutigen und uns mit anderen Initiativen vernetzen. Sehr wichtig finde ich auch den Kontakt mit jungen Menschen. Manche unserer Mitglieder haben noch die Zeit nach dem Krieg erlebt und die werden manchmal als Zeitzeuginnen in Schulen eingeladen. Auch bei den Demos und Kundgebungen erleben wir, dass die jungen Leute sehr interessiert sind und sich mit ihnen gute Gespräche entwickeln. Wir bemühen uns dabei um eine respektvolle und wertschätzende Sprache, um bewusst einen Gegenpunkt gegen die Hassparolen zu setzen. Ich denke, es ist eine wichtige Botschaft an die Jungen, wenn sie sehen, dass wir auf die Straße gehen. Wir kämpfen ja nicht nur für uns, denn uns selbst kann nicht mehr so viel passieren. Uns ist es ein Anliegen, dass auch zukünftige Generationen noch eine lebenswerte Zukunft und eine solidarische Gesellschaft vorfinden. Jüngere Menschen sind meistens sehr eingedeckt mit Arbeit und familiären Pflichten. Ich aber bin in Pension, mich kann keiner entlassen, ich kann laut sein und mir kann keiner den Mund verbieten.
TT: Demokratische und fortschrittliche Kräfte geraten immer mehr in die Defensive, wie könnten wir das ändern?
Gerti: Wir sind überzeugt, dass wir mehr erreichen, wenn wir die Leute mit kreativen Ideen und Humor ansprechen. Es kommen immer Leute mit neuen Ideen zu uns. Unsere Theatergruppe ist gerade dabei, sich neu zu formieren. Einmal haben wir auf einer Demo einen Auftritt gehabt, wo wir gesungen haben. Solche Aktionen sind inspirierend und geben uns Kraft. Also, die Salzburger Omas sind sehr aktiv, und was sie tun, tun sie mit einer Energie, die mich immer wieder begeistert. Ich würde mir wünschen, dass mehr Mitglieder bei unseren Aktionen dabei sein könnten, aber viele von uns sind sehr engagiert und haben wenig Zeit, sie haben familiäre Verpflichtungen oder sind körperlich nicht mehr in der Lage, bei allem mitzumachen. Alle leisten diese Arbeit freiwillig und geben, was sie zu geben bereit sind.
TT: Können nur Frauen bei den Omas mitmachen?
Gerti: Wenn uns jemand
fragt, warum es bei uns keine Opas gibt, antworten wir: Wir sind eine Frauenorganisation.
Ihr könnt jederzeit bei uns mitmachen, aber dann seid ihr OMAS GEGEN RECHTS – die
Männer sind mitgemeint. Wenn ihr eine eigene Organisation wollt, müsst ihr die
schon selber gründen.
Veröffentlicht in Talktogether Nr. 90/2024